Betrat man das Kulturhaus „Alte Meierei“, so stellte man zunächst fest, das ein Bühnenbild gänzlich fehlte. Dazu später mehr. Bernd Rossmann begrüßte in seiner Funktion als 1. Vorsitzender die pünktlich aufgeschlagenen Gäste und entschuldigte sich sympathisch für den Kommunikationsfehler zweier Anfangszeiten mit (Medien 19.30 Uhr/ Flyer 20:00 Uhr): „Ich werde nun also eine halbe Stunde lang Geschichten erzählen müssen“, sorgte gleich für den ersten Lacher. Weitere sollten folgen, Rossmanns Rede aus dem Stegreif konnte nicht nur überzeugen, sie war schon fast der erste Auftritt des Abends. Er stellte die Protagonisten des Abends vor – dem Veranstalter Viele Saiten e. V. war es gelungen vier vorzügliche Gitarristen in die Nelkenstadt zu holen – und leitete somit den Abend perfekt ein.
„So eine Chance sollte man sich nicht entgehen lassen, auch wenn sie in diesem Fall nur mitten in der Woche zu haben ist!“, lautete es in einer Pressemeldung für die Veranstaltung „Dancing On 4 And 6 Strings“ – und so sollte es sein. Am gestrigen Mittwoch, dem 2. September 2015, waren die Ränge im Kulturhaus dann eben doch, trotz eher ungünstigen Termins, sehr gut gefüllt.
Für den Voßheider Hansel Pethig, der als Gitarrist, Gitarrenlehrer und Vollblutmusiker über 40 Jahre Musikerfahrung auf dem Buckel hat, war es fast ein Heimspiel. Nicht was die Entfernung zu seinem Wohnort angeht, sondern auch im Publikum erkannte er einige bekannte Gesichter. Auch er sorgte für Erheiterung bei den Gästen und band das Publikum selbst bereits beim Stimmen seiner Gitarre mit ein. Zum 5. mal habe er die Ehre hier spielen zu dürfen, passender Weise startete er mit einem Song von Eric Clapton „Back home“. Gefühlvoll vorgetragen wurde der Titel „Killing me softly“, ein „Mischmasch“ aus Pethig und Adam Rafferty, bevor das Publikum bei „I’ve got to get back home“ die Begleitung im Chor übernahm.
Pethig auf der Bühne, mit ganz viel Gefühl. In den Fingern an der Gitarre … aber auch in der Stimme. Als er die Blues-Guitar auspackte, waren zumindest gefühlt drei Sänger auf der Bühne – so facettenreich war seine Stimme. Seine Interpretation von „What a wonderful world“ war dann ein weiteres Highlight, fast völlig losgelöst vom Original, durchzogen in Teilen von der Grundmelodie – einfach nur schön.
Weicher hätte ein Übergang dann nicht sein können. Pethig stellte „Koon“ vor und verwies nochmals darauf, dass am heutigen Abend experimentiert werde, er daher nun mit den beiden „Diplomaten“ gemeinsam spielen werde. Das Experiment glückte – pure Harmonie.
„Koon“ sind Philipp Wiechert (Gitarren) und Sebastian Braun (Kontrabass), die sich 2009, als sie gemeinsam ein Musikstudium in Dresden begannen, kennenlernten. Sie eröffneten ihr Set mit „Angel Eyes“ und machten weiter mit „Made in France“, einem Stück, auf dessen Komponist Philipp Wiechert nach eigener Aussage noch immer sauer sei, er habe das Stück einfach vor ihm geschrieben. Wenn der Kontrabass anfängt Melodien zu spielen, anfängt förmlich zu singen, dann muss es Sebastian Braun sein. Ist der Kontrabass eigentlich ein im Hintergrund klingendes Instrument, so schafft es Braun, sein Instrument in den Vordergrund zu bringen. Nicht aufdringlich, sondern angenehm und gekonnt. Auch Eigenkompositionen wie zum Beispiel „I don´t take the soup“ , inspiriert von „I´ll take the soup“, konnten überzeugen und verdeutlichten einmal mehr: Koon kommen auch ohne Gesang aus.
Nach der Pause kündigte Bernd Rossman dann Shane Hennessy an, der das Spielen der Gitarre im Alter von 13 Jahren erlernte, nicht aber ohne sich bei seiner 91-jährigen Mutter für ihr stetes Kommen zu den Konzerten zu bedanken. Eine schöne Geste.
Shane selbst begrüßte das Publikum mit zwei deutschen Sätzen, machte dann auf Englisch weiter, mehr Deutsch könne er nicht, er lerne – aber langsam. Was er jedoch ganz offensichtlich schneller gelernt hatte, war etwas, weswegen er heute auf der Bühne steht. Steht und stand und stehen wird. Bereiste er schon zahlreiche europäische Städte, so geht es nach Blomberg am Wochenende schon wieder auf das internationale Gitarrenfestival in Freepsum (Gemeinde Krummhörn/ Ostfriesland).
Shane ist, wenn eine Gitarre einen Bass, ein Keyboard, ein Schlagzeug und eben auch eine Gitarre erklingen lässt – alles gleichzeitig selbstverständlich. Spanisch angehaucht ein Hochgenuss für die Ohren. Shane ist aber auch, wenn sich hinter dem Titel „Argentine Tango“ eigentlich eine Rumba versteckt und die Gäste überrascht. Eine unglaubliche Bühnenpräsenz, die der gerade 21-jährige schon jetzt hat. Hennessy versteht es mit seinem Publikum zu flirten und hat einen ungeheuren Ausdruck in seiner Mimik. Auch hier fehlte der Gesang zu keiner Zeit. „Avenue“ war nur einer der Titel, der uns von dem jungen Künstler, von dem man künftig noch sehr viel hören dürfte, im Gedächtnis geblieben ist. Auch seine irischen Wurzeln waren in einigen Songs zu erkennen, warum auch nicht? Gepasst hat es.
Hatte Pethig noch zum Mitsingen animiert – Shane erzählte von seiner Begegnung mit dem Songwriter der Band Chic und der Entstehung seines Medleys von Songs der Band – sagte Shane: „Wenn euch danach sein sollte mitsingen zu wollen – lasst es. Das ist mein Konzert. Komödiantische Einlagen verbaler Natur gab es ohnehin reichlich. Sehenswert aber viel mehr als das – absolut hörenswert.
Nach seinem Solo-Set gab es dann noch ein Duett mit Philipp Wiechert und Shane Hennessy, der erklärte, dass auch „Phil“ Bezug zu irischer Musik hat. Die derzeitige gemeinsame Tour war zu hören, das irische Medley klang absolut harmonisch, ebenso fantastisch klang es, als dann Sebastian Braun das Duett zum Trio werden ließ, und bildete einen schönen Abschluss für ein in Summe absolut gelungenes Konzert. Danke Viele Saiten e. V.
Ähh, Abschluss? Nein noch nicht. Der musikalische Höhepunkt gipfelte in dem gemeinsamen Auftritt aller vier Protagonisten. Pethig sang eine deutsche Blues-Nummer (mit Mundharmonika-Einlagen) während die anderen Drei ihn begleiteten. Aber nicht nur begleiteten, sondern zudem auch, wie beim Blues üblich, gab es auch hier Soli der einzelnen Instrumente von Wiechert, Braun und Hennessy. Zeit zum Proben für das Stück im Vorfeld gab es nahezu nicht, lediglich im Rahmen des Soundchecks wurde ein wenig gejammt. Absolut beeindruckend, Profis eben. Dieser Blues „Mister Blues“ wurde übrigens von Hansel selbst getextet und war und ist Namensgeber für die beiden Brüder Torsten und Bert vom Brakenberg.
Ach so. Das Bühnenbild? Da wollen wir mal kein Theater ‚draus machen. Wer braucht das schon? Es ging doch um Musik! Und die war einfach nur – Entschuldigung – GEIL!
Wer erneut brillante Akustik im Kulturhaus „Alte Meierei“ erleben möchte, der sollte sich ranhalten. Für das Konzert von Michael Fix und Adam Rafferty am 24.10.2015 sind bereits über 100 Karten verkauft worden. Auch für 2016 stehen bereits alle Termine für die Konzertreihe von Viele Seiten e. V. fest. Bernd Rossmann hatte in seiner Einleitung auf die Möglichkeit zur Buchung der Veranstaltungsreihe im Vorfeld hingewiesen. „Das Abo ist nicht nur preislich interessant, sondern die Karten sind dann auch übertragbar. Zudem besteht die Möglichkeit sich einen festen Sitzplatz zu sichern.“, so der 1. Vorsitzende.
Weitere Infos: www.viele-saiten.de
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