Michael Lucan vor einem seiner Bilder" Bild: Harald Bischoff

Michael Lucan vor einem seiner
Bilder“ Bild: Harald Bischoff

Wie in der letzten Ausgabe der NelkenWelt angekündigt, hier das vollständige Interview mit Michael Lucan: Michael Lucan ist 1961 in Detmold geboren und dort auch aufgewachsen. Nach dem Abitur im Jahr 1981 ging er zur Bundeswehr und landete schließlich – über Augustdorf und Lippstadt – in der Nähe von München. Und dort, in München, lebt er seit 1983. Bei der Bundeswehr (zuletzt als Oberleutnant), im Büromöbel-Großhandel, als Software-Entwickler, ja sogar als Radio-Reporter war er tätig. Inzwischen ist er als IT-Dienstleister und Pressefotograf selbstständig. Er kennt sich im Internet aus und hat sich – was Fotos betrifft – mit dem Urheberrecht auseinandergesetzt, auch bzgl. Wikipedia und Social Media. Unsere Redaktion bat zum Gespräch.

Herr Lucan, Sie veröffentlichen viele Ihrer Bilder kostenlos bei Wikipedia, Sie verdienen also kein Geld damit. Warum tun Sie das?

„Kostenlos“ ist nicht ganz der richtige Ausdruck. Aber Sie haben Recht: Ich habe 2005 damit angefangen, Bilder bei Wikipedia hochzuladen, zu veröffentlichen. Ich wollte an diesem Projekt mitarbeiten. Diese Bilder stelle ich für die Nutzung auf Wikipedia und darüber hinaus unter so genannten „freien Lizenzen“ zur Verfügung. Und das heißt im Wesentlichen, dass ich für diese Bilder kein Honorar in Geld verlange. Wie übrigens viele „Wikpedianer“, seien es Profi- oder Hobby-Fotografen. Es führt vielleicht zu weit, jetzt alles im Detail zu erläutern, grundsätzlich bedeutet das aber nicht, dass es keine Gegenleistung geben soll.

Was haben Sie also davon?

Es geht darum, dass ich einerseits die Bilder zur Verfügung stelle und dass ich andererseits als Gegenleistung zwei ganz wichtige Dinge bekomme: Erstens sollen die Bilder ja nicht „nur“ für Wikipedia sein, sondern die Bilder kann jeder von dort holen und für eigene Zwecke verwenden. Die Bilder sollen auf diese Weise eine weite Verbreitung finden. Sie sind ja – wie Sie eben sagten – „kostenlos“. Aber nur in dem Sinn, dass man kein Geld, kein Honorar zahlen muss. Und die andere Gegenleistung ist die Namensnennung.

Und das ist alles?

Naja, beides ist für mich wertvoll, ein „geldwerter Vorteil“, wenn Sie so wollen. Die Namensnennung, die ohnehin eine gesetzliche Verpflichtung ist, hat doch einen gewissen Werbe-Effekt. Und wenn sich auf diese Weise meine Fotos auch noch verbreiten, andere Menschen sie verwenden und immer mit dem Bild auch mein Name genannt wird, dann kann ich vielleicht später leichter wieder mit Fotos mein Geld verdienen, habe ich gedacht. Wenn ich potentiellen Kunden viele Fotos zeigen kann, die zudem, ja … jedenfalls nicht gerade schlecht sind. Und meine Bilder werden auch tatsächlich verwendet.

Sie waren damals gar nicht als Fotograf tätig?

Damals war ich als Software-Entwickler angestellt und habe nur nebenbei mal hier und da bei einer Veranstaltung Fotos gemacht, wenn es halt zeitlich gepasst hat. Ich hoffe, es wird nicht zu kompliziert: Ich bin ja Mit-Begründer eines alternativen Lokalradio-Senders in München. Wir senden seit 1993 und bis heute mache ich hin und wieder einen Beitrag über lokale Themen in unserer Magazin-Sendung. Naja, und so etwa 2005 habe ich angefangen, bei Presseterminen, bei denen ich wegen der Radio-Arbeit war, auch Fotos zu machen. Wir sind da bei dem Radio übrigens alle ehrenamtlich unterwegs.

Angela Merkel spricht am 19.10.2012 auf dem CSU-Parteitag in München. Bild: Michael Lucan

Angela Merkel spricht am 19.10.2012 auf dem CSU-Parteitag in München. Bild: Michael Lucan

Aber ein „ehrenamtlicher“ Fotograf sind Sie nicht?

Nein, ich habe ja schon Mitte der 80er Jahre so ungefähr bis 1990 nebenbei fotografiert und damit etwas Geld verdient. 2008 habe ich wieder angefangen, wieder erste Bilder verkauft. Meine Bilder mache ich nicht ehrenamtlich, damit verdiene ich inzwischen einen guten Teil meines Lebensunterhalts. Ich bin seit 2010 selbstständig als IT-Dienstleister, seit 2011 baue ich eine Bildagentur auf, die langsam schwarze Zahlen schreibt.

Sie betreiben u. a. einen Blog der sich mit dem Thema Bilderklau beschäftigt. Woher rührt Ihr Interesse daran?

Oje, das ist ein heikles Thema …

Es geht darum, dass Ihre Bilder geklaut werden, und dass Sie das nicht gut finden.

Ja. Das muss jeder Fotograf erleben, dass Bilder unberechtigt genutzt, „geklaut“ werden, Es geht aber bei meinem Blog eben gerade um solche Bilder, die bei Wikipedia zu finden sind. Und dass es eben auch bei diesen Bildern nicht o.k. ist, sie einfach so zu übernehmen, wenn das mit einer Veröffentlichung verbunden ist.
Einerseits ist es von uns „Wikipedia-Fotografen“ ja beabsichtigt, dass die Bilder woanders übernommen werden. Abgesehen davon, dass es uns – den meisten jedenfalls – in erster Linie darum geht, die Artikel bei Wikipedia dadurch zu verbessern, dass wir Fotos einstellen.

Machen Sie’s doch mal konkret.

Es gibt bei Wikipedia verschiedene Lizenzmodelle für Bilder. Eine der meistgenutzten Lizenzen ist die Lizenz „CC BY-SA 3.0“. Und das heißt auf Deutsch: „Creative-Commons-Lizenz Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0“.

Was bedeutet das?

Sehr viele Bilder stehen unter dieser Lizenz. Wer solche Bilder verwenden will, der darf und der soll das tun. Dabei müssen dann aber die Bedingungen dieser Lizenz eingehalten werden. Das ist die Voraussetzung dafür, dass kein Honorar gezahlt werden muss. Und es ist auch ganz einfach. Die Bedinungen lauten: 1. Die Lizenz muss
genannt werden. 2. Die Bedingungen der Lizenz müssen bekannt gemacht werden. Dazu reicht es aber, eine Internet-Adresse (URL) anzugeben. 3. Der Name des Fotografen muss angegeben werden.

Der Münchner Oberbürgmeister im Gespräch mit Mario Adorf (2005). Bild: Michael Lucan

Der Münchner Oberbürgmeister im Gespräch mit Mario Adorf (2005). Bild: Michael Lucan

Das hört sich ja tatsächlich relativ einfach an.

Genau. Das ist im Grunde kinderleicht. Und trotzdem passiert es viel zu oft, dass Bilder aus der Wikipedia-Enzyklopädie ohne Einhaltung dieser einfachen Bedingungen im Internet auf anderen Webseiten auftauchen, in Ausstellungen, Vorträgen oder in Zeitungen und Zeitschriften verwendet werden. Ohne Namensnennung, ohne die Lizenzangaben zu erwähnen, teilweise sogar mit einer eigenen Copyright-Angabe. Und dass heißt dann: ohne Berechtigung.

Was ist denn so schlimm daran?

Darum geht es in meinem Blog http://bilderklau.lucan.org. Schlimm daran ist, dass die Bilder ohne Rücksicht auf die Rechte des Fotografen verwendet werden. Ohne dass auch er etwas davon hat. Ich versuche – wenn ich die Zeit dafür finde – in dem Blog, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es eben kein Kavaliersdelikt ist, wenn man sich bei Wikipedia einfach ein Bild schnappt und für seine eigenen Zwecke verwendet, ohne die Rechte des Fotografen zu berücksichtigen. Wenn der Name des Fotografen nicht genannt wid, dann ist damit dessen Leistung völlig ignoriert. Und wenn eines dieser Bilder z.B. auf einer Webseite verwendet wird, ohne dass die Lizenz angegeben wird, dann ist damit eine weitere Verbreitung kaum mehr möglich.

Warum?

Weil ja nicht gesagt wird: Dieses Bild steht unter einer „freien“ Lizenz und darf unter deren Bedingungen weiterverwendet werden. Da ist es dann nur ein schwacher Trost, wenn wenigstens der Name des Fotografen angegeben ist. Niemand aber wird auf die Idee kommen, dieses Foto weiterverwenden zu dürfen, mit der Verbreitung ist dann also Schluss. Eine Sackgasse, wobei der englische Ausdruck „Dead End“ noch treffender ist. Jedenfalls besteht keine Berechtigung ein Bild ohne Einhaltung der Lizenzbedingungen zu veröffentlichen, sondern das ist dann eine Urheberrechtsverletzung.

Endspiel der Blindenfussball-Liga 2012 Foto: Michael Lucan, Lizenz: CC-BY 3.0 (s. http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/legalcode) via Wikimedia Commons.

Endspiel der Blindenfussball-Liga 2012
Foto: Michael Lucan, Lizenz: CC-BY 3.0 (s.
http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/legalcode) via Wikimedia
Commons.

Sie haben uns einige Bilder für diesen Artikel zur Verfügung gestellt und wir haben eines hier mal so abgedruckt wie es einer dieser Lizenzen (hier: „CC BY 3.0“) entspricht. Wie das geht, haben wir bei Wikipedia nachgelesen. Ist das nicht – z.B. für eine Zeitschrift – ein bißchen viel Text, nur damit man ein Bild ‚kostenlos‘ nutzen darf?

Das kann schon sein. Aber es geht doch darum, dass z.B. die Zeitschrift etwas – sagen wir ruhig mal „kostenlos“ – bekommt, wenn sie ein paar ganz einfache Regeln befolgt. Es ist doch nichts anderes als ein Geben und Nehmen. Wenn sie es sich nicht leisten kann oder will, für Bilder zu bezahlen, dann greift sie u.U. auf Bilder unter solchen Lizenzen zurück und hält sich – hoffentlich – an die Lizenzbedinungen. Man gibt dem Fotografen, was ihm zusteht. Sagt deutlich: dies Bild darf jedermann „kostenlos“ weiterverwenden, und nennt den Namen des Fotografen. Und dafür darf man sich das Bild nehmen, übrigens auch für kommerzielle Verwendungen.

Was ich meine ist: Wenn ich schon meine Bilder so zur Verfügung stelle, dass weder Rückfragen noch Honorarzahlungen notwendig sind, dann darf ich doch mindestens erwarten, dass die Lizenzbedingungen eingehalten werden. Die Creative-Commons-Lizenzen sind übrigens rechtlich gültige Verträge, die von einer gemeinnützigen Organisation in den USA erstellt worden sind, und die auch in Fassungen vorliegen, die an das deutsche Recht angepasst sind.

Und wenn man die Bilder bei Facebook teilt oder bei anderen Social Media?

Schwierig. Facebook nimmt sich durch seine Nutzungsbedingungen Rechte an geposteten Bildern heraus, die mit den Creative-Commons-Lizenzen nicht kompatibel sind. Selbst wenn man das mal ignoriert: es ist nicht ganz einfach, die genannten Lizenzbedingungen dort einzuhalten. Es geht schon, aber manche Webseite, die ein Bild von Wikipedia zum „Teilen“ auf Facebook anbietet, macht das, ohne die Lizenz-Infos und den Fotografennamen mitzugeben. Das ist ein Problem.

Aber handeln nicht viele Leute aus Unwissenheit?

Bei Facebook: für diejenigen, die Bilder einfach nur teilen, kann ich mir das vorstellen. Wer aber einen „Teilen“- oder „share“-Button auf seiner Webseite verwendet und das Teilen damit erst ermöglicht, der tut das sehr bewusst. Was Wikipedia-Bilder betrifft, da glaube ich inzwischen nicht mehr an Unwissenheit. Jetzt mal ehrlich, wie kann man ein Bild von Wikipedia kopieren und sich dann später auf Unwissenheit berufen? Gerade bei Wikipedia werden die Lizenzbedingungen der Bilder auf Bildbeschreibungsseiten erläutert und sind dort auch verlinkt. Auf buchstäblich jeder einzelnen Seite bei Wikipedia wird darauf hingewiesen, dass die Bilder speziellen Lizenzbedingungen unterliegen.

Es mag im Einzelfall durch eine gewisse Flüchtigkeit oder ein völlig fehlendes Bewusstsein für diese Dinge Irrtümer geben. Wirklich vorstellen kann ich mir das aber nur bei Menschen, für die das Internet tatsächlich Neuland ist, oder bei Menschen, denen die persönliche Reife fehlt, diese Problematik zu verstehen.

Michael Lucan befragt den Münchner OB Christian Ude (2006) Bild: Cevriye Lucan

Michael Lucan befragt den Münchner OB Christian Ude (2006)
Bild: Cevriye Lucan

Damit meinen Sie …

Damit meine ich z.B. Jugendliche, die ja auch bei Facebook mit eigenen Informationen und Fotos zum Teil sehr sorglos umgehen. Und damit meine ich vor allem Menschen, die das Internet und besonders Wikipedia als großen Selbstbedienungsladen sehen, in dem es alles gratis gibt. Dazu habe ich neulich auf der Webseite http://www.silvernerd.de etwas gelesen. „ICH entscheide, was ich verschenke, nicht du forderst es ein“, schreibt da eine Dr. Kerstin Hoffmann, die ansonsten über neue Regeln für Marketing und PR in unseren digitalen Zeiten Vorträge hält.

Silvernerd.de selbst ist eine Seite von Ilse Mohr; und sie bloggt dort über Social Media, über digitale Gräben, Netzkompetenz usw. Auch Sie macht sich Gedanken, wie sie denn darauf reagieren soll, wenn von Ihrer Webseite Bilder geklaut werden: „Mich stört die Wurstigkeit. Die dreiste Selbstbedienungsmentalität der Websitebetreiber und Facebook-Administratoren, die mir nicht weismachen können, dass sie keine Ahnung vom Urheberrecht haben“, schreibt sie, und ich kann mich da nur anschließen. Ich kenne die beiden Damen nicht, aber wir sind alle aus der Generation 50+, die von manchem „Silver Surfer“ genannt wird.

Wie häufig werden Ihre Bilder unrechtmäßig verwendet und was tun Sie dann?

Wie häufig? Ich weiß es nicht, ich merke das ja nur zufällig. Ich suche natürlich aktiv nach meinen Bildern im Internet und finde – mit ganz normalen Suchmaschinen wie Google – viele Seiten mit meinen Bildern. Wenn ich mich jetzt mal nur auf Deutschland beziehe, dann habe ich den Eindruck, dass immer noch korrekte Nutzungen in der Überzahl sind. Im Ausland ist das etwas anders.

Ich bin Mitglied der Gewerkschaft ver.di und habe mich dort beraten lassen, als die ersten Fälle aufgetreten sind. Diejenigen sind dann von der Gewerkschaft abgemahnt worden – ohne dass dafür zusätzliche Kosten (Abmahngebühren) – entstanden sind. Das heißt, diejenigen mussten die Veröffentlichung unterlassen und auch Schadenersatz bezahlen. Inzwischen habe ich übrigens auch einen Rechtsanwalt, der mir nicht nur bei solchen Dingen zur Seite steht.

Also, Sie verlangen Geld für diese Bilder?

Was denn sonst? Meine Leistung wurde genutzt, aber nicht vergütet. Und ich stelle ja auch keine überhöhten Forderungen.

Aber muss das denn sein, Rechtsanwälte verursachen Kosten und Abmahnungen haben ja nun einen ganz schlechten Ruf?

Als Fotograf mache ich Fotos und als IT-Dienstleister programmiere ich Anwendungen im Internet – letzteres nicht mehr all zu häufig -, aber: ich bin kein Jurist.

Die Unterstützung durch ver.di ist schön. Aber die KollegInnen im Fachbereich Medien können nicht so schnell wie ein Rechtsanwalt arbeiten, weil es einfach inzwischen zu viele Fälle gibt, in denen gewerkschaftlich organisierte Medienschaffende Unterstützung oder gar rechtliche Vertretung benötigen – nicht nur, aber auch wegen unberechtigter Bildnutzungen. Die ist für Gewerkschaftsmitglieder kostenlos, aber es bedeutet schon einen gewissen zeitlichen Aufwand, eine Sache auch vor Gericht auszufechten. Und da muss man diesen KollegInnen im eigenen Interesse auch selbst gut zuarbeiten. Da können Sie diese Angelegenheiten fast schon gleich selbst in die Hand nehmen oder einen Rechtsanwalt beauftragen, wenn Sie nicht ganz auf die Durchsetzung der eigenen Rechte verzichten wollen.

Um es jetzt aber mal konkret zu sagen: Ich schaue mir die Sache ganz genau an. Und entsprechend reagiere ich. Das kann ein komplettes Ignorieren sein, aber auch eine E-Mail oder ein freundlicher Brief, mit dem ich auf die Lizenzbedingungen hinweise und um nachträgliche korrekte Kennzeichnung bitte. Aber selbst das ist nicht immer erfolgreich.

Inzwischen bin ich auch in der Lage, in einfachen Fällen selbst eine Abmahnung zu formulieren, mit der ich Unterlassung, die Abgabe einer Unterlassungserklärung und Schadenersatz fordere. Spätestens bei einer ausbleibenden oder negativen Reaktion gebe ich es aber dem Rechtsanwalt oder bitte ihn manchmal auch direkt, mir zu helfen. Und es gibt alles Mögliche dazwischen. Es kann auch sein, dass ich einfach nur eine moderate Rechnung schicke und dann die weitere Nutzung entweder genehmige oder untersage. Es kommt wirklich sehr auf den Einzelfall an. Und man kann dann auch mit mir reden.

Wie häufig passiert das?

Gott sei dank nicht all zu häufig, manchmal lohnt sich der Aufwand auch einfach nicht, weil ich als Unternehmer ja auch auf meine Zeit schauen muss. Und selbst wenn eine Abmahnung erfolgreich ist – was sie in aller Regel ist – dann kann ich ja in der Zeit, die ich dafür investiere, meiner eigentlichen Tätigkeit nicht nachgehen. Sagen wir mal ein bis zwei schlimme Fälle pro Monat. Und nochmal so viel nicht ganz so schlimme, die sich einfach regeln lassen.

21.06.2008: Umzug aus Anlass des Münchner Brauer-Tages. Bild: Michael Lucan

21.06.2008: Umzug aus Anlass des Münchner Brauer-Tages. Bild: Michael Lucan

Was verstehen Sie hier unter „schlimm“?

Naja, wenn ein Jugendlicher seine Seite mit meinen Bildern z.B. der Toten Hosen aufpeppt ohne die Bedingungen einzuhalten, dann kann ich das als relativ harmlos betrachten. Wenn aber eine Wochenzeitschrift dieselben Bilder in einem Artikel im Internet verwendet und dann vielleicht hinschreibt „© Wikipedia“ oder „Fotos: Archiv“, dann geht das nicht. Schön für die Zeitung, schlimm für mich. Ein Ausgleich geht dann nur auf finanziellem Weg.

Und zum schlechten Ruf von Abmahnungen und Abmahnern, was sagen Sie dazu?

Ich kann es verstehen, wenn jemand sagt: „Ich habe einen Brief vom Anwalt bekommen, weil ich ein Bild von Wikipedia auf meiner Webseite verwende. Jetzt soll ich die Unterlassungserklärung unterschreiben, soll das Bild löschen, soll Schadenersatz zahlen und auch noch die Kosten des Rechtsanwalts übernehmen. Das finde ich alles total übertrieben und ungerecht.“

Jemand, der wirklich naiv war und/oder aus einem Irrtum heraus diese Abmahnung verursacht hat, der wird vielleicht wirklich erstmal die Welt nicht mehr verstehen. Man darf die Schuld aber nicht beim Fotografen oder beim Rechtsanwalt suchen. Ich kann jeden Fotografen verstehen, der sich nicht lange mit E-Mails, mit netten Briefen, mit Diskussionen aufhalten will, und der auch solche Angelegenheiten nicht selbst erledigen will.

Zunächst ist es ja doch so, dass da jemand ein Bild genommen und veröffentlicht hat und zwar für sich und seinen eigenen Vorteil. Ohne Berechtigung. Damit entsteht automatisch ein Schadenersatzanspruch und auch die Verpflichtung zur Unterlassung, wenn der Fotograf das will. Es ist tatsächlich am einfachsten für den Fotografen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Alles andere ist ein Entgegenkommen. Man hat nämlich eine Menge Ärger, wenn man sich als Fotograf um diese Sachen selbst kümmert und kann da auch viel falsch machen – das weiß ich aus eigener Erfahrung. Das ist nicht jedermanns Sache.

Der Weg der Abmahnung ist aber auch der vom Recht in solchen Fällen vorgesehene Weg (fühlst Du Dich als Urheber in Deinen Rechten beeinträchtigt, dann laufe nicht gleich zum Gericht, sondern gib dem anderen die Möglichkeit, die Sache außergerichtlich zu regeln). Was die meisten Leute stört, wird wohl weniger die Abmahnung als solche sein, sondern die neben einer Schadenersatzzahlung zusätzlich – wenn es ein Rechtsanwalt macht – damit noch anfallenden Kosten. Es hilft nicht viel, dagegen zu lamentieren und gegen die „Abmahner“ zu protestieren. Man sollte als Abgemahnter akzeptieren, wenn man einen Fehler gemacht hat und versuchen, den Schaden gering zu halten und daraus für die Zukunft lernen.

Der Kabarettist Bruno Jonas liest Erich Kästner am Tag der "Verbrannten Bücher" auf dem Königsplatz in München (Mai 2008). Bild: Michael Lucan

Der Kabarettist Bruno Jonas liest Erich Kästner am Tag der „Verbrannten
Bücher“ auf dem Königsplatz in München (Mai 2008). Bild: Michael Lucan

Sie haben bereits viele Stars und Sternchen vor der Kamera gehabt. Welche waren das?

Also, Stars und Sternchen fotografiere ich nun doch nur ausnahmsweise, wenn sie auch einen etwas größeren Anteil an den Bildern haben, die ich auch bei Wikipedia veröffentliche. Ich besuche – außer vielleicht den Schauspieler-Empfang des Oberbürgermeisters in München – eigentlich kaum solche „Events“, die zu den bevorzugten Veranstaltungen der Yellow-Press gehören. Ich habe gern den jüngst verstorbenen Karlheinz Boehm fotografiert, als er im Jahr 2008 im Münchner Rathaus den internationalen Hundertwasser-Preis für die Gründung von „Menschen für Menschen“ verliehen bekam – und bei anderen Gelegenheiten danach. Ich konnte mit ihm 2008 auch ein kurzes Interview führen – deswegen war ich überhaupt dort -, was mich insoweit beeindruckt hat, dass er sein Engagement in Äthiopien als Selbstverständlichkeit ansah und sich selbst vor allem als – wenn auch nicht mehr aktiver – Schauspieler verstand.

Ich fotografiere auf berichtenswerten Veranstaltungen, dass kann das Endspiel der Blindenfussball-Liga sein oder eine Baustellenbegehung, es sind Sitzungen im Landtag oder Pressekonferenzen von Parteien, alles mögliche. Sie werden das ja kennen: Man geht eben zu dieser oder jener Veranstaltung um – in meinem Fall – per Hörfunkbeitrag und/oder Fotos darüber zu berichten.

Was halten Sie von Paparazzi?

Ich will es mal so sagen: In der letzten Woche war ich beim Arzt und blätterte in ausliegenden Zeitungen. In einer Zeitschrift mit dem Titel „GRAZIA“ fand ich ein Foto von Bastian Schweinsteiger (in T-Shirt und Jogging-Hose) mit seiner Freundin. „Zerbricht die Liebe am WM-Fluch?“ lautete die Überschrift. Das Foto ist unmittelbar vor dem Haus in unserem Stadtviertel, in dem Bastian Schweinsteiger wohnt, aufgenommen worden. Er schaut dann auf dem Foto auch entsprechend irritiert in die Kamera des Fotografen. Stellen Sie sich einfach vor, Sie müssten damit rechnen, dass vor Ihrem Haus gelegentlich Paparazzi auf Sie warten, um Sie zu fotografieren. Das ist nicht angenehm, was soll man also davon halten?

Nun kann man Bastian Schweinsteiger in unserem Viertel ganz normal auf der Straße begegnen; oder sieht ihn vor einem Café frühstücken. Er ist zu jedem nett und freundlich, der ein Autogramm will, oder ihm mal auf die Schulter klopfen. Aber im Ganzen lässt man ihn in Ruhe. Das wäre womöglich anders, wenn er auf dem Marienplatz spazieren ginge, aber dort wird er wohl immer nur dann auftauchen, wenn der FC Bayern wieder einmal einen Titel holt. Und da fotografiere ich ihn dann auch.

Andererseits befriedigen die Paparazzi das offensichtlich vorhandene Bedürfnis nach „privaten“ Fotos von Prominenten – und können ihrerseits gar nichts dafür, wenn der zuständige Redakteur dann aus der Tatsache, dass die Freundin die WM-Goldmedaille um den Hals trägt, eine Beziehungskrise a lá „Sieh‘ mich doch mal wieder an, Bastian!“ phantasiert. Die Fotografen fotografieren, das können sie am Besten und damit verdienen sie Ihren Lebensunterhalt. Was die Zeitschriften bzw. die Redaktionen daraus machen, ist nochmal was anderes. Bei beiden gibt es gute und schlechte Typen.

Unterhalten Sie auch persönliche Kontakte zu den Fotografierten?

Nein, in aller Regel nicht. Dass heißt aber nicht, dass man nicht auch mal ein paar private Worte wechselt, wenn man sich öfter über den Weg läuft. Die persönlichen Kontakte bestehen eher zu anderen Fotografen, eben denen, die man öfter trifft und kennengelernt hat.

Nehmen Sie auch Auftragsarbeiten an oder machen Sie Bilder nur auf eigene Faust und versuchen diese dann zu veräußern?

Beides. Es ist tatsächlich so, dass man als (Presse-)Fotograf in der Regel mit einem Auftrag zu einem Termin geht, aber die Honorare, die angeboten werden, sinken. Es gibt auch Tageshonorare, unabhängig von der Zahl der Fotos. Das lohnt kaum noch. Der Trend geht zum angestellten oder freien Redakteur, der auch Fotos macht. Oder umgekehrt. Ich will nicht sagen, dass dann eines von Beidem leidet. Aber es kann sein, dass solche Doppel-Aufträge dazu führen, dass dann ein anderer bestimmte Fotos auch ohne Auftrag gut verkaufen kann, weil der eigentliche Redakteur-Fotograf der Zeitung gerade im richtigen Moment mit etwas anderem beschäftigt war.

Es ist besonders schade, wenn die Zeitung so ein Bild dann zwar eigentlich kauft, aber doch nicht druckt, was mir leider neulich passiert ist. Dann gibt es nur ein kleines Ausfallhonorar oder gar nichts.

https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode
http://de.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons


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