Lippe SeviceWenn jemand in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitet und den sogenannten Berufsbildungsbereich durchläuft – hat er dann Anspruch auf Grundsicherung? Die Ansichten hierüber gehen bislang auseinander. Ein Erlass des Bundessozialministeriums sieht vor, dass Betroffene erst nach der Phase der Berufsbildung in einer Werkstatt für behinderte Menschen Anspruch auf Grundsicherung haben. Denn erst nach dieser Phase könne ein Antrag beim Rentenversicherungsträger gestellt werden auf Feststellung der vollen Erwerbsminderung auf Dauer.

 

Viele Gerichte sehen das aber anders. Erste Präzendenzfälle gibt es bereits, aktuell hat auch das Sozialgericht Detmold im Fall eines Betroffenen aus Lippe entschieden: Es ist davon auszugehen, dass eine volle Erwerbsminderung auf Dauer vorliegt, sobald jemand in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitet. Auch, wenn er noch im Bereich der Berufsbildung eingesetzt wird. Damit stehe dem Betroffenen auch in der zweijährigen Berufsbildungsphase bereits Grundsicherung zu.

 

Die Klage richtete sich gegen eine Entscheidung der Kreisverwaltung als zuständige Behörde. Der Kreis Lippe wird gegen das Urteil nicht in Revision gehen: „Wir begrüßen das Urteil des Sozialgerichts Detmold. Denn auch wir finden es sinnvoll, den Antragstellern die Grundsicherung zu gewähren. Allerdings sind wir bislang an den Erlass des Bundessozialministeriums gebunden und müssen die Anträge ablehnen. Das ist sehr unbefriedigend, sowohl für die Betroffenen, als auch für uns als verantwortliche Behörde“, erklärt Karl-Eitel John, zuständiger Verwaltungsvorstand des Kreises Lippe.

 

Weil das Bundessozialministerium und die zuständigen Gerichte die Neufassung des Paragrafen 45, Satz 3 im SGB XII unterschiedlich auslegen, entsteht ein Dilemma für Behörden und Betroffene: Der Kreis Lippe als Träger der Sozialhilfe muss bei Anträgen auf Grundsicherung für Personen im Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen der Weisung des Ministeriums folgen und den Antrag ablehnen – wohlwissend, dass die Gerichte mehrheitlich anders entscheiden. Andererseits gelten die Gerichtsurteile eben nur für die Betroffenen, die Klage gegen einen Ablehnungsbescheid erheben. Wer den Klageweg scheut, dem bleibt ein möglicher Anspruch verwehrt.

 

Aus dem Kreishaus heißt es, dass diese Situation für alle Beteiligten frustrierend sei. Wenn ein grundsätzlicher Anspruch auf Grundsicherung für den betroffenen Personenkreis bestehe, müsse er auch direkt gewährt werden können – und nicht erst auf Weisung eines Gerichts, das im Fall einer Klage anders entscheidet, als es der Bund als Kostenträger der Leistung vorsieht.

 

In einem Schreiben an Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, fordert die Kreisverwaltung deshalb, diese Thematik aufzugreifen und im zuständigen Bundesministerium eine neue Weisung entsprechend der aktuellen Rechtsprechung einzusetzen. Schließlich würden anderenfalls weitere Klageverfahren drohen, die eine Belastung für Antragsteller und Behörden gleichermaßen bedeuteten.


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