Mit Schreiben vom 07.02.2017 beantragt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Beschlussfassung über eine Resolution zur sofortigen Stilllegung des Atomkraftwerks Grohnde. Dem folgenden Antrag stimmten alle Ratsmitglieder zu:

 

„Sehr geehrte Herr Bürgermeister,

 

wir bitten darum, den folgenden Antrag in die Ratssitzung vom 28.02. einzubringen, mit dem Ziel, in der Ratssitzung zu folgender Beschlussfassung zu kommen:

 

Der Rat der Stadt Blomberg appelliert an das Niedersächsische Umweltministerium als zuständige Atomaufsichtsbehörde und an das Bundesumweltministerium als entsprechend weisungsbefugte Behörde, die sofortige und unwiderrufliche Stilllegung des Atomkraftwerk: Grohnde zu veranlassen.

 

Begründung

 

Das Atomkraftwerk Grohnde ist mit aktuell 250 meldep?ichtigen Ereignissen seit Betriebsbeginn 1984 eines der störungsanfälligsten in Deutschland. Insbesondere in den vergangenen drei Jahren seit 2014 waren Anzahl und Ausmaß der aufgetretenen Defekte besorgniserregend groß. So erhöhten in dieser Zeit beispielsweise der Totalausfall des Generators, undichte Rohrverbindungen, eine beschädigte Nachkühlpumpe und Fremdkörper im Primärkreislauf das Risiko einer Atomkatastrophe unkalkulierbaren Ausmaßes.

 

Allein 2016 stand die Anlage wegen Wartungs- und Reparaturarbeiten 21/2 Monate lang still, auch wegen Defekten im nicht-nuklearen Bereich. Erst im August 2016 platzte eine Rohrleitung im Maschinenhaus und verbrühte einen Mitarbeiter tödlich. Auch im neuen Jahr 2017 gab e schon Ende Januar wieder einen weiteren Zwischenfall, bei dem wegen defekter elektronischer Bauteilgruppen zeitweise nur noch 50% des Reaktorschutzsystems funktionierten.

 

Diese Ereignisse machen deutlich, dass hier massive Alterungsprobleme in einer Anlage vorliegen, die seit nunmehr 33 Jahren überwiegend im Volllastbetrieb arbeitet. Sie zeigen zugleich auch, dass der Betrieb an der oberen Leistungsgrenze immer mit unentdeckten Schäden verbunden sein wird, denn eine Reihe von Defekten wurde erst im Rahmen von Überprüfungen festgestellt. Der genaue Zeitpunkt ihres Entstehens ist dann oft nicht mehr nachweisbar. Ein kürzlich aufgetretener Vorfall belegt sogar, dass ein folgenschwerer Wartungsfehler jahrelang unentdeckt bleiben konnte.

 

Nach dem aktuell gültigen Atomgesetz läuft die Anlage noch bis zum 31.12.2021. In diesen 5 Jahren fallen jedes Jahr durchschnittlich 40 abgebrannte Brennelemente an, insgesamt also noch 200 Brennelemente bis zum Laufzeitende. Dieser Atommüll muss dann in den nächsten Jahrzehnten im Zwischenlager auf dem Betriebsgelände sicher gelagert und bewacht werden. Eine vorzeitige Stilllegung würde die anfallende Atommüllmenge deutlich reduzieren und die Entsorgungskosten mindern.

 

In den letzten Jahren sind die Gefahren terroristischer Bedrohungen gewachsen. So kann der Reaktorsicherheitsbehälter in Grohnde einem Anschlag durch Absturz eines modernen Großflugzeugs (Airbus A380) oder durch Beschuss nicht standhalten, da die Konstruktion dafür nicht ausgelegt ist. Noch viel weniger als das Reaktorgebäude ist das 2006 nachträglich auf dem Betriebsgelände errichtete Zwischenlager für die abgebrannten Brennelemente (Castorbehälter) konstruktiv gegen terroristische Angriffe geschützt.

 

Die Terrorgefahr beschränkt sich aber keineswegs nur auf externe Angriffe. Bei jeder Revision (Wartung) halten sich auf den Betriebsgelände in Grohnde wochenlang bis zu 1.500 Mitarbeiter externer Firmen auf, die oft nur kurzfristig ohne tiefgehende Sicherheitsüberprüfung für Hilfsarbeiten angeheuert werden. Denkbar ist z.B. ein Szenario wie in Belgien: 2014 wurde im AKW Doel 4 eine Turbine durch einen internen Sabotageakt beschädigt. Dabei waren 60.000 Liter Öl ausgelaufen, was zu einer Reaktor-Schnellabschaltung führte und das AKW für Monate lahm legte.

 

Bis zu 50 Prozent des gesamten nuklearen Inventars konnten bei einem schweren Kernschmelzunfall innerhalb von zwei bis drei Stunden freigesetzt werden. Dies könnte nicht nur zur Folge haben, dass eine Evakuierung der Bevölkerung in der so genannten Mittelzone (20-km-Radius um die Anlage), die innerhalb von 24 Stunden nach Alarmierung abgeschlossen sein soll, nicht mehr erfolgreich umsetzbar wäre. Auch in viel größerer Entfernung könnten die zu erwartenden extremen Strahlenbelastungen ein rechtzeitiges Verlassen des betroffenen Gebietes unmöglich machen.

 

Der Rat der Stadt Blomberg teilt daher die berechtigten Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger der Stadt vor einer atomaren Katastrophe und deren unkalkulierbaren Folgen. Die Menschen hier leben – je nach Ortsteil – nur etwa 18 bis 25 km Luftlinie vom Reaktor in Grohnde entfernt.“


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