Tischlermeister Ulrich Wächter hatte erst kürzlich dem Stadtarchiv verschiedene Unterlagen zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei u. a. um Produktkataloge, Preislisten und andere Unterlagen der im Jahre 1906 gegründeten Stuhlfabrik von den Gebrüdern Schröder in der Neuen Torstr. 102, den Vorfahren der heutigen Tischlerei Wächter. Schon fast ein wenig aus dem sprichwörtlichen Häuschen erklärte der Blomberger Stadtarchivar Dieter Zoremba: „Diese Unterlagen sind äußerst interessant und zudem sehr wichtig. Während wir von den großen Stuhlfabriken wie Stöss, Brede & Schwarz oder Hamm reichlich Unterlagen haben, können wir nun belegen, wie die kleineren Firmen sich am Markt aufgestellt und behauptet haben. Derartiges hat uns bislang nicht vorgelegen und ich bin Herrn Wächter sehr dankbar.“
Ulrich Wächter, der die Unterlagen sauber in einem Schrank verwahrt hatte, waren diese beim „Aufräumen“ erneut in die Hände gefallen. Statt sie dort „versauern“ zu lassen, stellte er sie nun der breiten Öffentlichkeit über das Stadtarchiv zur Verfügung. „Unterlagen so lückenlos und gut erhalten übergeben zu bekommen freut mich wirklich sehr, dass ist wie ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk. Es gab also damals auch schon kleine Firmen, die eigenes Marketing betrieben und einen eigenen Vertrieb vorgehalten haben“, erklärte ein sichtlich begeisterter Zoremba.
Die Unterlagen dokumentieren zum Beispiel, dass ein Arbeiter früher einen Tag arbeiten musste, um sich einen einfachen Stuhl leisten zu können. Unser Bild dokumentiert, dass es einen Katalog mit den einzelnen Modellen gegeben hatte, der ergänzt wurde um eine Agentenpreisliste (Preise für Zwischenhändler) und eine Liste mit empfohlenen Wiederverkaufspreisen. Mit Aufschlägen von zwischen 20 und 30 Prozent würde die Branche heute nicht mehr existieren können.
Ulrich Wächter hatte natürlich neben den Dokumenten weitere Geschichten „im Gepäck“ und erinnerte sich zum Beispiel daran, dass er Politurreste von Papas Fingern abknibbelte, wenn er auf dessen Schoß gesessen hatte. Früher gab es im ehemaligen Firmengebäude eine Polierstube. Diese hatte jedoch nichts mit einem Vorarbeiter im Bauwesen zu tun, sondern tatsächlich mit dem Vorgang des Polierens von Möbeln. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Beruf des Polierers ein Ausbildungsberuf mit mehrjähriger Lehrzeit. Die hartnäckigen Reste an den Fingern seines Vaters, der damals zum Auftragen Nesselballen in Lack tränkte, ließen sich durch das einfache Waschen eben nicht so einfach entfernen – ein schöner „Zeitvertreib“ für den Junior, der ihm im Gedächtnis geblieben ist.
Aufruf: Wer alte Unterlagen in seinen Schränken oder auf dem Dachboden findet, darf diese gerne bei Dieter Zoremba im Stadtarchiv vorstellen und Dokumente, die sonst möglicherweise verloren gehen würden, auf diese Weise für die Nachwelt erhalten. Der Blomberger Stadtarchivar, erreichbar unter 0 52 35 – 50 24 503, würde sich sehr freuen.
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